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Die Evangelische Kirche zu Drommershausen

Hier bekommen Sie einen kunsthistorischen Überblick über diese Kirche. Alle Texte sind von Dr. Verena Fuchß verfasst. Die Bilder stammen von I.H. Thiemann. Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt.

Zur Orts- und Kirchengeschichte

Der Ort Drommershausen wird 1197 erstmals in einer Urkunde erwähnt. Eine Zeitlang wur­den dessen Einwohner von einem Priester des um 1450 gegründeten Klosters Pfannstiel seelsorgerisch betreut, aber vor und während der Reformation gehörte es wie auch die Orte Selters, Hirschhausen, Gräveneck, Kirschhofen und Ahausen zum Sprengel der Weilburger Stadtkirche. 1517 wird erstmals ein kleiner Kapellenbau erwähnt, in dem der Weilburger Stadtpfarrer Johannes Roß einmal in der Woche Messe hielt. Als dieser letzte katholische Pfarrer im Jahre 1528 Weilburg verlassen musste, weil hier die Reformation eingeführt wurde, ersetzte ihn ein protestantischer Nachfolger. Ab 1614 wurde Drommershausen Filialgemeinde von Selters, jedoch war die Stelle anfäng­lich öfters vakant oder wurde von Löhnberg aus mitversorgt.

Die Baugeschichte

Bereits ab 1685 beklagen sich die Pfar­rer immer wieder bei der zuständigen Konsisto­rial­verwaltung in Weilburg über den Zustand der Drommershäuser Kapelle, die inzwischen zu klein für die gewachsene Bevölkerung geworden war und sich zudem in einem desolaten Zu­stand befand. Die Gemeinde, die ­meist aus Bergarbeitern bestand, war zu arm und konn­te kaum die notwendigsten Reparaturen finanzieren. Aber erst 1893 kommen die Dinge unter Pfarrer Jo­han­nes Hahn (1892-1904 Pfarrer) in Gang. Im Februar wird der Bau beschlossen und ein Grundstücke für den Bauplatz inmitten des Ortes erworben. Der Kir­chenbaumeister Ludwig Hoffmann aus Herborn wurde mit der Bauplanung be­auftragt und legte seine beiden Al­ter­nativplanungen noch in diesem Jahr vor. Nachdem nochmals ein Jahr mit Verhandlungen über Fi­nanzierung und Aussehen des Neubaus verstrichen war, konnte am 29. Mai 1895 der Grund­stein zur neuen Kirche gelegt werden, der in die Fassade rechts des Portals ein­gelassen ist). Im August 1896 war der Bau fertig gestellt und sowohl Orgel wie Glocken konnten eingebaut werden. Der gesamte Bau mit seiner Ausstattung hat ins­gesamt circa 33.000 Mark gekostet. Am 3. September 1896 wurde die neue Kirche mit einem großen Dorffest eingeweiht. Die mittelalterliche Kapelle blieb erhalten und diente als Spritzenhaus, wurde jedoch in der Mitte der 60iger Jahre abgerissen, heute befindet sich an der Stelle das Dorfgemeinschaftshaus.

Der Kirchenbau

Die Kirche erhebt sich an der Hauptdurchfahrtstraße Drommershausens auf einem etwa zwei Meter über dem Straßenniveau erhöhten Kirchplatz. Dieser ist über einem zweiläufigen Treppenaufgang mit einem schönen Treppengeländer der Bauzeit zu erreichen. Durch seine freie Lage und den Fassadenturm unterbricht der Bau das lang gezogene Straßendorf und setzt einen markanten Akzent im Ortsbild. Die Kirche ist nicht wie üblich nach Osten ausge­richtet, sondern erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung und wendet ihre turmbekrönte Eingangs­seite einladend dem Besucher zu.

Der Bau ist hauptsächlich aus Bruch­steinmauerwerk (grüner Schalstein) er­richtet, behauene Werksteine aus Rot­sandstein finden sich an den Ort­gängen, Fenstergewänden und am Ho­rizontal­gesims der Fassade. Die Ge­staltung des Gotteshauses ist typisch für den Histo­rismus, dem Stilformen ver­gangener Epochen als Vorbilder „mo­derner“ Ge­staltungen dienten. In dieser Zeit wurden Gebäude entweder ent­sprechend ihrer Funktion mit dem jeweils als passend empfun­denen Stil oder in Abhängigkeit vom Kunstgeschmack des Bauherren gestaltet und ausgestattet. Bei Sakral­bauten hielt man einen Rückgriff auf Ar­chitektur­mo­tive des „from­men“ Mittel­alters für besonders sinn­voll. So verwen­det auch die Drommers­häuser Kirche hauptsächlich Stilformen des Übergangs von der Romanik zur Gotik. L. Hofmann legte somit auch zwei Alternativpla­nun­gen vor, die bei gleicher Grundform und Binnen­struktur die gestalterischen und dekorativen Elemente eher „roma­nisch“ bzw. „gotisch“ akzentuierten. Man ent­schied sich letztlich für den Entwurf mit den älteren romanisierenden Formen, wobei sich auch durchaus spätgotische Motive wie die englischen Tudorbögen als untere Langhausfenster finden lassen.

In die Mitte der Straßenfassade ist ein Rundbogenportal eingelassen ist, welches durch einen Dreiecksgiebel sowie einem Rundfenster mit einbeschriebenem Fünfpass bekrönt wird. Direkt darüber erhebt sich der im Grundriss querrechteckige Turm, der seitlich von zwei ge­rundeten Treppenhäusern begleitet wird. Der kräftige Turm zeigt im unteren Geschoss schma­le Rundbogenfensterchen, große Rund­bogen öffnen die Glocken­stube. Der Turm wird von einem Satteldach mit Krüppel­walmen abgeschlossen, aus dem ein hoher, achtseitiger Spitz­helm erwächst. Neben dem Haupteingang in der Fassade sind seitlich noch zwei Neben­ein­gänge, die von verschieferten Überdachungen mit Krüppelwalmen auf offenen Holzkon­struk­tionen ruhen. Alle drei Portale besitzen doppelflügelige Türen mit schönen, gotisie­renden Eisenbeschlägen. Die Langhaus­seiten werden durch je zwei quer zum Hauptdach stehende Walmdächer ge­prägt, so dass der Eindruck zweier eigenständiger Ka­pel­lenanlagen entsteht. Die Langhaus­wände werden durch hohe, leicht angespitzte Blendnischen gegliedert, in die unten je ein Paar kleiner sog. Tudorfenster, oben große Maßwerk­fenster einge­lassen sind. Der Chor besteht aus einem im Grundriss querrecht­eckigen Raumteil, an den sich eine Rundapsis mit einem Kleeblatt­fenster anschließt.

Das Innere des Gemeinderaumes ist ein breit gelagerter Saalraum, der jedoch durch die Art der Deckengestaltung sowie die beiden seitlichen, auf durchgehenden Stützen ruhenden Em­poren den Eindruck einer dreischiffigen Staffelkirche erhält. Die hölzerne Decke ist besonders ein­drucks­voll und einzigartig in der Region. Die Art ihrer Gestaltung ist beeinflusst von offenen Dachstühlen der britischen Neogotik, die ihrerseits hei­mi­sche Vorbil­der der spä­teren Gotik (sog. Hammerbeam Roofs) kopierten. Ver­mit­telt über Ver­öffentli­chun­gen in Bau- und Architekturzeit­schriften nahm die Strömung der englischen Neugotik Einfluss auch auf den deutschen Historis­mus. Die horizontalen Deckenpartien über den Em­poren tragen längs durchgehende Balken, während der Bereich der mittleren Längsachse dreieckig erhöht ist und durch sicht­bare hölzerne Gespärre ge­tragen wird. Die Decke wird zudem ge­stützt durch kräftige, pro­filierte und be­schnitzte Holzstützen, die zugleich auch die Empo­ren tragen. Die hölzernen Brüstungen der Gemeinde- wie auch der Orgelempore zeigen Klee­blatt­bogenfriese. Die farbige Gestaltung der Wände ist ganz typisch für den Historismus, im Gemeinde­bereich ist sie jedoch äußerst zurückhaltend und beschränkt sich auf eine Quaderung der Bogenläufe der Fenster, wobei in jedem zweiten „Quader“ ein roter Vierpass erscheint. Der Chorraum ist ein eher schlichter Raumteil, in dessen Mitte der einfache Altarblock steht, jedoch ist er durch seine Wandbemalung mit einer farbigen Bordüre mit romanisierenden Ran­kenornamenten hervorgehoben. Da dieselbe Schablone verwandt wurde, wie bei einer der 1897 gemalten Schmuckbänder der ev. Kirche von Altenkirchen, waren hier mit Sicherheit dieselben Handwerker beschäftigt, nämlich die Malermeister Heinrich Demmer, Wetzlar, und sein Bruder W. Demmer aus Philippstein.

Der Altarbereich ist von der Apsis durch eine hölzerne befensterte Abschrankung mit der Kanzel getrennt. Sie ist aus dunkel gebeiztem Eichenholz, wobei die Kanzel Schmuckformen mit romanisierenden Säulchen mit Würfelkapitellen zeigt. Die Apsis selbst dient als Sakristei, so dass nur die Apsidenwölbung mit der Inschrift: „Tröstet, tröstet mein Volk“ Jes. 40,1, vom Kirchenraum zu sehen ist. Neben der Inschrift in der Apsiskalotte sind drei weitere Textstellen im Kirchenraum mit großen gotischen Lettern an den Wänden zu finden: An der linken Stirnwand der Empore steht das Bibelwort: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid ich will euch erquicken Math. 11 Vers 28“, über dem Apsidenbogen lautet der Text: „Selig sind die Gottes Wort hören und bewahren Luk.11 Vers 28“ und an der rechten Emporenwand: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit so wird euch solches alles zufallen Math. 6 Vers 33“. So beziehen sich die alle drei Texte auf Jesu Einladung an die Menschheit und seine Verheißungen.

Nicht nur die Architektur und die gesamte Ausstattung der Bauzeit ist original erhalten, auch die kleinteilige helle Verglasung aller Fenster mit Rautenformen sowie einem umlaufenden, die unterschiedlichen Fensterformen betonenden farbigen Streifen. Die Kirche in Drommers­hausen ist das einzige Gotteshaus im Dekanat, das gänzlich der Zeit des Historismus entstammt und das in allen seinen Teilen außergewöhnlich gut erhalten ist. So stellt dieser wunderbare Sakralraum mit seiner ungewöhnlichen und kunstvollen Deckengestaltung ein gutes und exzellent erhaltenes Beispiel der Baukunst dieser Zeit dar.

Der Architekt

Ludwig Hofmann wurde 1862 als Sohn des Damast­webers Philipp Ludwig Hofmann aus Her­born und seiner Ehefrau Katharine geb. Petry geboren. Bereits mit ca. 22 Jahren war er in Herborn als selbständiger Architekt tätig. Mit den Kirchen­neu­bauten in Sinn-Fleis­bach (ab 1882) und Königstein im Taunus (1887) begann seine Wunsch­laufbahn als Kirchenar­chitekt. 1904 wurde er zum Kirchenbaumeister im Konsistorialbezirk Nord- und Süd-Nassau der evan­gelischen Kirche berufen. Bis zu seinem Todesjahr 1933 plante und baute er ca. 60 Kirchen neu und restaurierte mindestens doppelt so viele. Daneben errichtete er aber auch als freier Architekt viele andere Gebäude wie Schulen, Bahnhöfe, Kranken­häu­ser, Wohnhäuser und ganze Straßenzüge in Her­born und Worms. Der Wert des hofmannschen Lebenswerkes besteht nicht nur in der Vielzahl seiner Bauten und der Planung großer Prestigeobjekte, wie etwa dem Gieße­ner Bahnhof (1906-08), dem Neubau der Dankeskirche in Bad Nauheim, der Sanierung der Siegener Niko­laikirche oder des Herborner Schlosses, sondern liegt in der flächen­decken­den architek­tonisch und bau­technisch niveauvollen Betreuung eines ganzen Gebietes, das so groß ist wie die Hälfte des heu­tigen Bundeslandes Hessen. Innerhalb des Dekanates hat er auch den Bau der ev. Kirchen von Philippstein (1913-14) sowie von Elkerhausen betreut. Auch die ev. Pfarrkirche in Solms-Albshausen erbaute L. Hofmann 1923-30 als barockisierenden Saalbau mit Walmdach und westlichen Dachreiter.

Die Orgel

Nachdem der Kirchenneubau im Rohbau fertig gestellt war, wurde am 1. Januar 1896 der Bau einer eigenen Orgel vom Kirchenvorstand und den Gemeindevertretern beschlossen. Es wurde der Orgelbaumeister Gustav Raßmann aus Möttau mit der Herstellung beauftragt. Dieser ging jedoch in Ruhestand und übergab seine Werkstatt bereits am 1. April desselben Jahres an sei­nen ersten Gesellen August Hardt. Dieser übernahm das begonnene Werk und führte es zu Ende, so dass er mit Sicherheit maßgeblich am Bau des Drommershäuser Instrumentes be­teiligt war. Das Gehäuse besitzt ein dreiteiliges Prospekt mit einem Wimperg (Giebel) über dem etwas breiteren, mittleren Feld sowie schlichte neogotische Maßwerkornamente. Damit passte Raßmann das Äußere der Orgel bewusst der übrigen Kirchenausstattung an. Das Werk besitzt folgende Disposition: Prinzipal 8´, Gambe 8´, Flöte 4´, Octave 4´. Salicinal 8´, Gedackt 8´, Cornett Baß, Cornett Discant, Subbass 16´, Octavbass 8´. Die Orgel ist in allen ihren Teilen original erhalten, nur die Windversor­gung wurde elektrifiziert.

Die Geschichte der Glocken

Als die neue Kirche von Drommershausen eingeweiht wurde, besaß sie bereits ein Dreier­ge­läut. Die älteste Glocke stammte von 1809 und war 1810 für die alte Kapelle angeschafft worden. Sie war ursprünglich von den Glockengießern Friedrich Bernhard in Tiefenbach für die Gemeinde in Grä­veneck gegossen worden, war jedoch zu leicht ausgefallen und demnach nicht abgenommen worden. Zu dieser Bronzeglocke wurden 1896 zwei weitere von der Glockengießerei Rincker in Sinn gekauft. Am 7. Juni 1917 wurde die alte Glocke von 1809 sowie eine der beiden von Rincker für Kriegszwecke abgegeben, und nur diejenige mit dem Schlag­werk der Uhr wurde behalten. Erst 1925 konnte die Gemeinde zwei neue Glocken - wiederum bei Rincker - für insgesamt 1634 Mark ankaufen. Aber der nächste Krieg kam bald und damit eine neue Metallsammlung, bei der ebenfalls zwei Glocken abgeben werden mussten. Heute befinden sich im Turm wieder drei Glocken. Die erhaltene Rinckersche Glocke von 1925 besitzt die Inschrift "In schwerer Zeit unseren Gefallenen geweiht" (Durchmesser 66 cm, Bronze, Ton E). Die beiden anderen Glocken stammen aus dem Jahr 1951. Sie wurden vom Bochumer Verein, Gelsenkirchen aus Stahl gegossen. Die größere (Durchmesser 87 cm, Ton H) trägt den Weihespruch: "Ehre sei Gott in der Höhe". Die kleinere (Durchmesser 75 cm, Ton D) zeigt die Inschrift: "Haltet an im Gebet". 

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